Festschrift

Tip für einen Vereinsausflug !?

 

 


Der jährliche Vereinsausflug des Bayernvereins ist inzwischen zu einer erfreulichen Tradition geworden. Dient er doch in besonderem Maße dem geselligen Leben des Vereins, führt die Vereinsmitglieder und deren „Gesponse“ für einige Tage zusammen und weckt dadurch den Zusammenhalt und die Identität des Vereins.

Darüber hinaus hat er aber eine weitere ebenso erfreuliche Aufgabe übernommen: Er gibt den Vereinsmitgliedern Gelegenheit ihren „Mit‑Bayern“ ‑ und der Kreis derer ist auf Grund Satzung inzwischen weitgegriffen ‑ ihre bayerische Heimat vorzustellen. So mancher entdeckt sein „Stammland“ ganz von neuem; wenn nicht sogar erstmals. So haben wir im letzten Jahr das schöne Rottal, die Jahre zuvor die bayerische Landeshauptstadt München und die Trenck‑Stadt Waldmünchen besucht. Nachdem bisher nur der bayerische Süden „heimgesucht“ wurde, meine ich, dass wir unseren Blick einmal gegen den bayerischen Norden richten sollten. Auch wenn im Bayernverein, so wie im richtigen Leben, der Süden ausgesprochen dominant ist. Dafür haben die Nordbayern gelernt ausdauernd und allzeit hoffend zu sein.

Meine Wiege stand an der Wondreb. Der interessierte Leser wird seine Gehirnwindungen absuchen und versuchen, seine heimatkundlichen Geografiekenntnisse wieder hervorzukramen: Wondreb, Wondreb??

Die Wondreb entspringt an der Europäischen Wannscheide!

Wo mag die nur liegen? Muss sich nach den Umständen wohl in Nordbayern befinden. Noch ein Tipp: Die Wondreb fließt durch das Stiftland. Stiftland? Stift? Dort wird wohl ein Stift, ein Kloster sein.

Richtig. Aber wo ist nur dieses Stift, dieses Stiftland?

Weiterer Tipp: Die Wondreb fließt durch Waldsassen. Waldsassen, richtig!!

Natürlich kenne ich Waldsassen, werdet Ihr sagen. „Waldsassen kenne ich vom bayerischen und sächsischen Verkehrsfunk: „Grenzübergang Waldsassen ‑ Eger eine halbe Stunde Wartezeit!“ Und im Übrigen: Des Öfteren, wenn ich am Wochenende von Chemnitz zu meinen Weißwursttöpfen fahre, benutze ich diesen Grenzübergang. Eine der unangenehmen Nadelöhre an meinen zeitlich so eng begrenzten Wochenenden. Und nach dem Grenzübergang muss ich mich noch über die Bundesstraße 299 durch diesen Ort quälen. Ich bin froh, wenn ich in Mitterteich wieder Land gewinne und auf der BAB Weiden/Regensburg Vollgas geben kann“.

Aber hast Du, trotz der verständlichen Eile, in der Ortsmitte von Waldsassen einen Blick nach links Richtung Osten riskiert?

„Ja stimmt, wirst Du sagen, da steht eine Kirche! Ist das die Kirche dieses Stifts? Ja mein Freund, das ist die Stiftskirche von Waldsassen, die Stiftsbasilika des Klosterstifts Waldsassen, das der Region den Namen „Stiftland“ gegeben hat. Und das nicht nur wegen seiner Historie von besonderer Bedeutung und Reiz ist.

Dies hat bereits ‑ wer kann es wohl anders sein ‑ bereits J. W. v. G. auf seiner „Italienischen Reise“ 1786 festgestellt: 1n Bayern stößt einem sogleich das Stift Waldsassen entgegen ‑ köstliche Besitztümer der geistlichen Herren, die früher als andere Menschen klug waren“.

Er ergötzte sich nicht nur an den herrlichen Bauwerken, sondern ‑ wie er schreibt ‑ auch an den köstlichen Bratwürsten, die er bei dem gegenüber der Kirche angesiedelten Metzger und Gastwirt verspeiste. Gaststätten hat Waldsassen; und er wird da die typisch deftige etwas zu schwere und vielleicht etwas ungesunde aber dafür um so nahrhaftere oberpfälzische böhmische angehauchte Küche geboten. Natürlich gibt es auch Fischgerichte, insbesondere Karpfengerichte. Auch wenn Ihr den Fisch nicht im Wappen von Waldsassen finden werdet, so war und ist er dennoch für die Region von besonderer Bedeutung (‑ siehe unter Wiesauer ‑ Tirschenreuther Seenplatte ‑).

Waldsassen wäre, hätte es damals schon das Guinessbuch der Rekorde gegeben, wegen des Karpfens genauer wegen eines Karpfenessens mit Sicherheit aufgenommen worden: Der Schwiegersohn des Gründers des Klosters von Waldsassen, der nordgängische, im Reich sehr geschätzte, Markgraf Diepold III von Vohburg, war kein geringerer als der engagierte Klostergründer und Kolonisator Kaiser Friedrich Barbarossa. Als die erste romanische Klosterkirche 1179 eingeweiht wurde, unter anderen auch Barbarossa teilnahm, wurde anläßlich seines Besuches und der Kirchenweihe das größte Karpfenessen aller Zeiten veranstaltet. So habe ich es jedenfalls im Heimatkundeunterricht gelernt. Die Waldsassener haben sich nicht überessen und kochen und genießen den Karpfen heute noch mit Begeisterung. Probiert ihn mal im Stiftland!

Schon zwei Jahre nach der Klostergründung 1133 ist in der Urkunde des Bischofs Heinrich von Regensburg zu lesen: „in Loco, qui Waldsassen dicitur...“  Und so entwickelte sich das Kloster Waldsassen, als 71. Kloster der Zisterzienser, bis in das 16. Jahrhundert zu einem stattlichen Kloster. 1560 wurde das Klosterleben jedoch jäh beendet. Als Kurfürst Ottheinrich, der der lutherischen Lehre anhing, nach dem dem Grundsatz „cuiris regio einis religio“ die Klosterpforten schloß. Dafür entwickelte sich nunmehr das Bürgertum, die Altstadt wurde gebaut. Erst als Bayernherzog Maximilian 1628 von Kaiser Ferdinand II die Oberpfalz erhielt und damit die obere Pfalz und das Stiftland bayerisch wurden, gründete sein Sohn Kurfürst Ferdinand Maria 1661 das Kloster wieder. 1693 erhielt Waldsassen von Kurfürst Max Emanuel von Bayern sein Wappen mit dem Abt und dem Lilienschild und das „Marktrecht“. Die folgenden Jahrzehnte waren wohl diejenigen, die das Waldsassen (neben der Industrialisierung) am stärksten prägten: Das Kloster, seit 1690 selbständige Abtei, erlebte eine Blütezeit: Bekannte Künstler und Gelehrte weilten in Waldsassen; bedeutende Baumeister wie die Gebrüder Dientzenhofer schufen einzigartige Bauten. In dieser Zeit entstand die spätbarocke Stiftsbasilika, einer der großartigsten Barockkirchen Bayerns. Unter der Basilika entstand eine Gruft für Edelleute und Äbte, die als eine der größten in Deutschland gilt. Im Kloster wurde nach 1700 ein Bibliothekssaal mit den berühmten lebensgroßen Holzfiguren des „Narrenschiffs“ geschaffen, das zu den größten Kostbarkeiten bayerischer Schnitzkunst zählt. Und auf dem Glasberg nahe des Klosters erbaute Georg Dientzenhofer die Dreifaltigkeitskirche Kappel, der einzige Kirchenrundbau des Barock nördlich der Alpen; ein weiteres Wahrzeichen des Stiftlandes. Auch wenn die Säkularisation 1803 dem Wirken des Klosters ein Ende setzt, blieben diese Gebäude sowie das mittelalterliche Abtschloß erhalten.

1864 wurde das Kloster von den Zisterzienserinnen des Klosters Lauch hat Seligenthal wiederbesiedelt; gleichzeitig entwickelte sich in Waldsassen die Industrie: Die Porzellan‑, die Keramik‑ und die Glasproduktion, der Bergbau und das Bauhandwerk. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde der Waldsassener Säuerling gefasst und ist heute als „Rondrauer' in Bayern und Sachsen bekannt. Seit den 70iger Jahren ist ‑ wie in der gesamten Porzellanregion ‑ der Niedergang dieses Produktionszweiges unübersehbar. Bestehen blieb ‑ Gott sei dank ‑ aber bis heute eine Waldsassener Besonderheit, das Glashandwerk. Das Waldsassener Antikglas noch gefertigt mit der Flöte ‑ gibt es in ca. 5.000 Farbabstufungen und wird in aller Welt geliefert; gibt es doch weltweit nur 3 Firmen die dieses besondere Glas herstellen.

Eine Besichtigung ist möglich!

Ein befreundeter Glashandwerker Venedigs hat mir verraten, dass, obwohl die Glasmacherinsel Meirano vor den Toren Venedigs liegt, er für die Fensterscheiben der venezianischen Palazzi Waldsassener Glas verwendet. Was soll ich sonst noch von Waldsassen nur berichten!

Waldsassen liegt eingebettet im Wondrebtal, das sich zum Egertal hin öffnet. Diese Landschaft, die bereits 1135 als „regio Egere“ bezeichnet wurde und in dessen Landstrichen Pfälzer, Franken, Böhmen, Sachsen und Vogtländer, in einem wahren Schmelztiegel deutscher Stämme lebten, war eine wirtschaftlich wie kulturell ausgesprochen agile Region; bis 1945.

Heute wird versucht, über Aktivitäten wie die der „regio Egrenzis“, durch alte Verbundenheit und Stärke wieder mit Leben zu erfüllen. Diese Multikulturalität könnt Ihr noch heute im Stiftland erleben, in den unterschiedlichen Dialekten, Kirchen, Liedern, Festen und handwerklichen Künsten. Insbesondere die böhmische Kultur meine ich, hat viel Farbe in diese Region gebracht.

Wer als Tourist kommt hat viele Möglichkeiten der Entfaltung: Zum Beispiel Erholungen und Kuren im neuen „Sybillenbach“; Wandern und Skifahren im Oberpfälzer‑ und Böhmerwald; Ausflüge ins Böhmische nach Eger; Marienbach; Franzenbad; Ausfahrten in das Fichtelgebirge oder ins Erzgebirge.

Alles in allem, meine lieben Freunde, Grund genug bei der Heimfahrt durch Waldsassen Halt zu machen und in der Ortsmitte links abzubiegen; oder noch besser; mit dem Bayernverein ein schönes Wochenende im Stiftland verbringen.

 

 

 

 

 

Bernhard Freundl

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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